Freitag, 27. März 2009
Elfenbein III
Die Beerdigung meiner Großtante Herta ist die erste, die ich erlebe. Wir haben den Dezember vor unserem Abi, Ende 2001. Ein Freund sagt, Beerdigung sei schlimm, weil alle weinen. Aber Tante Herta war alt, und es lebt kaum noch jemand von denen, die ihr nahestanden. Meine Mutter war ihre nächste Verwandte. Sie war es auch, die in den letzten Tagen oft hinfuhr, weil das Personal im Altersheim anrief und sagte, dass es Tante Herta schlechter ginge.

Die Kapelle ist klein und kalt, und draußen liegt Schnee. Ich war noch nie auf einer Beerdigung, und ich mochte Tante Herta. Aber es ist nicht so schlimm, niemand weint, und wir füllen kaum zwei Bänke mit den Leuten, die gekommen sind.

Meine Mutter wusste, dass Tante Herta stirbt. Sie erzählt mir von den Anzeichen am Körper des Sterbenden, und was mit demjenigen geschieht beim Tod. Die Haut bekommt eine fahle Färbung, gelblich-weiß. Das Blut zieht sich aus den Armen und Beinen zurück. "Ich habe gewusst, dass es bald soweit ist. Das Blut in ihren Füßen hatte sich abgesenkt, sie waren oben ganz blaß und unten dunkel." Das sind genau die praktischen Dinge, über die meine Mutter Bescheid weiß und mein Vater nicht. Ein Wunder, dass sie jemals geheiratet haben, so unterschiedlich, wie sie sind, der kleine Junge und die praktische Frau. Sie ist sehr gefasst, als sie mir das erzählt. Sie hatte ein gutes Verhältnis zu Tante Herta, und wir haben sie ein paar Mal im Jahr besucht, aber sie scheint nicht sehr traurig zu sein. "Und dann war es auch bald soweit. Sie hat einfach irgendwann nicht mehr weitergeatmet."

Als wir den Sarg zum Grab begleiten, beginnt es heftig zu schneien. Es stürmt richtig. Ich gehe zusammen mit meiner Schwester und meiner Cousine, wir frieren gemeinsam und sagen nichts. Ich bin die größte von uns dreien, obwohl auch die jüngste. Nachdem wir unsere Rosen in das Loch im eiskalten Boden geworfen haben, geht meine Mama an das Grab. Und dann weint sie.

Aber sie will sich nicht richtig trösten lassen, sie reagiert nur wenig auf unsere Versuche, und ich weiß, sie will selbst damit klarkommen. Also lassen wir sie in Ruhe, aber wir behalten sie im Auge und warten ab, falls sie doch in den Arm genommen werden will. Ein paar Minuten später fängt sie sich wieder.

Es schneit.

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